Auf der Spur des Bären

Text und Fotos: Stephan Käufer
Sandsjoen See, Lierne Nationalpark

Sandsjoen See, Lierne Nationalpark

Die Gruppe ist wie elektrisiert. Eindeutig Bärenspuren! Abdrücke der vorderen rechten Tatze und des gleichen Hinterlaufes im Sand der Schotterpiste. Kameras klicken. Ist der Bär noch in der Nähe? Gunn Anita, Nationalparkrangerin, bedeutet der Gruppe zu folgen. Nicht weit weg führt ein schmaler Pfad in den Wald. Die Gruppe folgt ihr ins Dickicht. Die Bergflanke hinauf. Äste beiseite geschoben, drunter weg getaucht. Hin und wieder ein Baum mit Kratzspuren. Verletzte Baumrinde an der Meister Petz sich den Pelz gescheuert hat. Fellreste, Bärenhaare. Versteckt hängt eine Wildkamera im Geäst eines Baumes. Über ein Tablet liest die Wildhüterin im Lierne Nationalpark die Speicherkarte aus. Ja, definitiv, ein Bär ist in der Nähe. Der schmale Pfad wird jetzt noch enger. Eine Abzweigung. Zwei, drei Meter entfernt, auf dem neuen Pfad am Boden, Exkremente. Verräterische Spuren, der Bär hat den Hauptpfad verlassen.

Gunn Anita, Nationalparkrangerin

Gunn Anita, Nationalparkrangerin

Direkt an der schwedischen Grenze, in Mittelnorwegen im östlichen Teil des Nordtröndelags, liegt der Lierne Nationalpark. Etwa zehn Kilometer vor Grong an der E6 zweigt rechts die Nationalstraße vierundsiebzig ab. Wälder, Hochmoore, der Sanddoela-Fluss, Bäche, Wasserfälle. Nach siebzig Kilometern erreicht die Straße die Ortschaft Nördli. Irgendwo im Nirgendwo des norwegischen Fjell. Ein paar Wohnhäuser, der Bearburger Grill - Spezialität hier; Burger mit Bärenfleisch, das Nationalparkzentrum mit angegliedertem Restaurant. Der Laksjoen, der See direkt unterhalb der Tankstelle, glänzt in der Sonne. An seinem Ufer liegen ein paar Motorboote. Schneefelder blinken. Auch jetzt, im August auf dem Oestre Brandsfjell, im Hintergrund des Sees. Auf vierzig Quadratkilometern leben hier zwölfhundert Menschen, Elche, Luchse, Rentiere. Und Bären.

Am Laksjoensee

Am Laksjoensee

„Bären sind scheue Tiere, sie gehen den Menschen aus dem Weg“, erklärt Gunn Anita Totland. Sie ist „Wildlife Guide“ am Lierne Nationalpark Center. Sehr nah ist sie an Meister Petz dran. Führt Gruppen auf seine Fährte. Zeigt und erklärt Touristen den Fjell - die Berge. Aber nicht nur die Bären haben gelernt mit den Menschen zu leben. „In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Schulprogramme gestartet um die Schüler auf Bären einzustellen“, berichtet Gunn Anita weiter. So wurden mitlerweile Generationen norwegischer Schüler für das Thema Bär sensibilisiert. Der Erfolg blieb nicht aus. Die seinerzeit aus Schweden einwandernde Population konnte heimisch gemacht, angesiedelt werden. Während Bären in Schweden bejagd werden dürfen stehen die imposanten Tiere in Norwegen unter Naturschutz. „Ja, ein Zusammenleben von Mensch und Bär ist möglich“, ist sich Gunn Anita sicher. Damals, in den siebzigern, wurde in der Region sehr viel Schafzucht betrieben. Lebensgrundlage für viele. Für die Bären leichte Beute. Die Schafzucht ging zurück. Als der Staat Programme auflegt um den Bauern das Errichten von Zäunen zu finanzieren, gehen die Verluste an Schafen gegen Null zurück. Die Zäune erfüllen ihren Zweck, die Menschen schöpfen Hoffnung, beginnen den Bären in ihrer Nachbarschaft zu akzeptieren, mit ihm zu leben. Die Schafzucht macht wieder Sinn. Bären haben ein sehr gutes Gedächtniss. „Die Generation Bären die jetzt aufwächst kennt das Futter „Schaf“ nicht“, schlussfolgert Totland.

Auf dem Pfad im Wald beäugt Gunn Anita die Hinterlassenschaften des Bären, riecht daran. Dann erklärt sie der Gruppe: „Der Bär hat uns gewittert, er ist auf der Flucht vor uns, wir werden noch mehr finden“. Und tatsächlich, auf einer Strecke von etwa siebzig Metern finden sich weitere Exkremente. Der Bär selbst lässt sich heute nicht finden. Die Gruppe muss mit dem Bild aus der Wildkamera vorlieb nehmen. Spannend ist es trotzdem.

Wie eine grüne Wand

Wie eine grüne Wand

Wie eine grüne Wand steht der Mischwald, Birken, Tannen ein paar Sträucher. Die Schatten der Bäume modelliert die sanfte Spätnachmittagssonne auf das hochgewachsene sacht im warmen Wind wogende Gras. Seine Wurzeln gründen im moorigen Boden. Große und kleinere „Wasserfpützen“ sammeln sich im Gras der Hochebene, eigene Biotope im großen Ökosystem. Mücken umschwärmen sie. Land der Elche, Land der Rentiere. An solchen Tagen unter einem solchen Himmel zu solchen Stunden treten sie gerne aus den Wäldern. Heben langsam ihre stolzen Köpfe in den Himmel, genießen stumm die Sonne oder ziehen gemächlich grasend über die Ebene um an anderer Stelle, in der Schutz bietenden, grünen Wand wieder aufzugehen.
Hotels finden sich wenige in der Region. Zelt, Wohnmobil oder Blockhütten bieten Herberge, Kanu, Mountainbike oder Wanderschuhe machen unabhängig. Einfach ist das Leben in den Wäldern. Zum Einkaufen fährt man gut und gerne mal schnell vierzig, fünfzig oder gar siebzig Kilometer. Der Einkaufszettel will genau bedacht sein. Neben den Wanderungen auf den Spuren der Bären, werden im Nationalparkzentrum auch Führungen ins Land der Elche angeboten und manchmal kann es sein, dass man das eine sucht, und das andere findet.

Wälder und Moore

Wälder und Moore

Diese Berge, diese Flüsse, diese Seen, Wälder, Moore, diese intakte Natur, Diese fast brutale, stoische, unendliche Ruhe. Diese Stille die beinahe schon wieder spürbar so schreiend laut ist. Ja. Wen wunderts, dass Meister Petz sich hier wohl fühlt, sich ansiedeln ließ, und nicht wieder weg will. Hier aus dem Nirgendwo. Nicht wenigen, auch aus der Population Mensch geht es genau so.


64.466382,13.585483
Sandvika, 7882 Norwegen

Kalender von Stephan Käufer
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